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2. Sizilienfahrt 2016. Ein Abschlussbericht in 5 Fragen – Teil 5

Frage 5: Was ist das Ergebnis der Fahrt?

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Am Sonntagmorgen des 28.8.2016 um 4.30 Uhr erreichte der Lkw in Siracusa sein letztes Ziel. Padre Carlo D’Antoni hatte schon Platz in einem Gemeinderaum gemacht, sodass sie morgens gemeinsam mit 20 PfadfinderInnen in Windeseile den Lkw leer räumen konnten. Neben den zahlreichen Kleiderspenden freute sich der Padre vor allem über die 300 Paar festen Schuhe, die wir dank der Spende von AWO International neu erwerben konnten. Die Geflüchteten, die als FeldarbeiterInnen oftmals ausgebeutet werden, haben meist keine Möglichkeit ihren Lebensunterhalt vom Lohn – zur Orientierung: 200 Kilo Tomaten (!) für 6€ – selbst zu bestreiten und sind auf Padre Carlos Hilfe angewiesen. Festes Schuhwerk ist bei der Feldarbeit und vor allem in den auch in Sizilien kalten Wintermonaten mehr als notwendig. Zusätzlich übergaben wir Decken, Isomatten, Zelte und, viel wichtiger, einen Stromgenerator, der notwendig ist, um in den abgelegenen Camps zumindest punktuell für Beleuchtung und Kochmöglichkeit zu sorgen.

hhelp_sizilien_0473Jetzt waren also 14 Tonnen Hilfsgüter verteilt, viele Geschichten schon gehört und doch blieb noch viel mehr zu erfahren. Endlich war Zeit, um Menschen zu besuchen, die wir auf vergangenen Fahrten kennen gelernt hatten und neue kennen zu lernen. Wie ist es ihnen seither ergangen? Mit wem können wir in Zukunft kooperieren, wen unterstützen, wessen Geschichte hören?

Dank der vielen Geldspenden konnte unser Team daneben am Montag obdachlose Geflüchtete in Siracusa noch zusätzlich mit Lebensmitteln versorgen. Fünf Geflüchteten konnten wir so ein paar Wünsche erfüllen, denn es geht uns nicht nur darum, sie mit Lebensmitteln zu versorgen, sondern darum, dass sie sich selbst aussuchen können, was ihnen wichtig ist. Das können und dürfen wir nicht bestimmen. Geld annehmen zu müssen ist bereits unangenehm und einschränkend genug. Der Grad zwischen Solidarität und Paternalismus ist ein sehr dünner, sehr gefährlicher, mit dem wir uns immer wieder auseinander setzen müssen.

hhelp_sizilien_2331Außerdem trafen wir Elvira vom Centro Astalli und erfuhren noch mehr über die Arbeit von St. Egidio (ein Videointerview mit Elvira folgt bald!).

Am 31.8.2016 – noch zwei Tage blieben uns verschafften wir uns Zugang zum Hafen von Pozzallo, da dort erneut viele Geflüchtete mit einem Marineschiff ankommen sollten. Die Beobachtung der Ankünfte spielt eine wichtige Rolle in unserer Berichterstattung, da wir zum Beispiel im Rahmen unserer Pressearbeit verdeutlichen wollen, dass eine Nachrichtenmeldung wie “500 Menschen wurden auf dem Mittelmeer gerettet” nicht das Ende der Geschichte markieren. Daneben wird oft gar nicht erst berichtet, da die Einsätze fast schon alltäglich sind. Der Schein, dass weniger Menschen kommen oder niemand mehr ertrinkt, trügt. Ganz zu schweigen davon, dass ohne Nicht-Regierungs-Initiativen wie die von SOS Mediterranee die Lage noch viel schwieriger aussähe. Einmal am Festland angekommen, sind die Menschen auf sich alleine gestellt. So wie Mary und Michael mit ihrem kleinen Sohn Giuliano. Sie haben eine Duldung in Italien erhalten, bekommen aber aktuell keinerlei staatliche Unterstützung zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts. Ihnen kauften wir für ca. 100€ Windeln und Babysachen. Außerdem hatten wir eine Verabredung mit Agata, einer zum Teil in Deutschland lebenden Sizilianerin, die sich im Anschluss der Fahrt unserem Verein angeschlossen hat und somit als wichtiges Bindeglied zu Strukturen vor Ort agieren kann.

hhelp_sizilien_0282Langsam neigte sich die Fahrt dem Ende zu und letzte Absprachen und Pläne wurden für die Zukunft getroffen, Medikamente übergeben. Dank einer überwältigend erfolgreichen Betterplace-Kampagne konnten wir 1700 Euro für Medikamente ausgeben. Darunter insbesondere Augentropfen gegen entzündete Augen, Salben gegen Krätze oder andere Hautkrankheiten, Antihistaminika und Antibiotika. Wir fuhren mit Elvira durch Catania, wo wir ein von ihnen betriebenes Welcome Camp für jugendliche Geflüchtete besuchten. Anschließend fuhren wir danach mit uns durch die Stadt, um uns auf die Brennpunkte aufmerksam zu machen, an denen zum Beispiel Obdachlose nachts ihr Lager aufschlagen und Schutz suchen.

Eine Fahrt in Zahlen

Im Ergebnis hat Projekt Seehilfe e.V. 15.316,00 Euro für diesen Hilfstransport eingesetzt, 48.168 Einzelteile nach Sizilien transportiert, bestehend aus 6.000 T-Shirts, 6.500 Pullover, 2.000 Hosen, 2.000 Handtücher, 500 Paar Badelatschen, 300 Paar festes Schuhwerk, einen Stromgenerator, und unzählige Hygieneartikel. Diese wurden innerhalb von zweieinhalb Tagen in drei verschiedenen Städten Südsiziliens an fünf Hilfsorganisationen verteilt. Neben dem Entladen des Lkws hatten unser Team neun Tage vor Ort für Recherchearbeit, die Stärkung bestehender Kontakte und die Unterstützung  Geflüchtete im Einzelfall. Die Reise bezahlten Johanne, Phil und Hendrik aus eigene Mitteln; jede Spende wurde direkt in den Hilfsgütertransport geleitet.

hhelp_sizilien_0398Dieser bisher größte Transport unseres Vereins wäre nicht ohne viele MöglichmacherInnen denkbar gewesen. DANKE!

logo-ohne-irIn der Zeit auf Sizilien war unserem Team der steigende Bedarf an Unterstützung allgegenwärtig. Die Hotspots und Aufnahmeeinrichtungen sind überfüllt. Immer mehr geflüchtete Frauen und Minderjährigen geraten in die Obdachlosigkeit, die Abfertigung ist nicht nur überfordernd sondern menschenunwürdig, bewegt sich teils im juristischen Graubereich. Es muss einerseits mehr dafür getan werden, dass schnell und unkompliziert geholfen werden kann. Andererseits muss eine nachhaltige Unterstützung etabliert werden. Es müssen Zukunftsperspektiven geschaffen werden, d.h. es müssen dringend Möglichkeiten entstehen, um Geflüchteten eine Perspektive zu bieten, es muss Aufklärung über die eigenen Rechte geben, mehr europäische Unterstützung für Italien, bessere Netzwerke und anti-rassistische Einstellung. Vor allem aber muss wieder klar werden: Asyl ist ein Menschenrecht. Und keine Frage der Herkunft.

Wir als Projekt Seehilfe e.V. können all’ diese Dinge nicht alleine ändern oder alle auf einmal anpacken. Für 2017 aber haben wir wieder viel vor und möchten vor allem die ideelle Hilfe ausweiten, die materielle Hilfe mindestens auf diesem Niveau halten und mit unserer Berichterstattung dafür sorgen, dass deutlich wird: Solidarität darf nicht an Außengrenzen enden. Und diese Solidarität brauchen wir jetzt, während wieder und wieder Menschen die gefährliche Überfahrt in ein vermeintlich sicheres und gutes Leben antreten.

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