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Gegen den Hass: Ein Radioprojekt in Siracusa öffnet Augen und Ohren

In dem kürzlich eingerichteten digitalen Klassenzimmer wird fleißig an einem Webradio von, mit und für Geflüchtete gearbeitet.

Vorfreude auf das neue Webradio von, mit und für Geflüchtete

Vorfreude auf das neue Webradio von, mit und für Geflüchtete

Eine ungewöhnliche WG

In Siracusa, weit außerhalb des Stadtzentrums, wohnt Padre Carlo. Wie jeder ordentliche Pfarrer wohnt er direkt neben seiner Kirche “Bosco Minniti”. Padre Carlo teilt sein Zuhause seit einigen Jahren mit Geflüchteten, die ein Dach über dem Kopf brauchen – egal woher, egal welche Religion, egal ob und welche Papiere. Für viele von ihnen ist Bosco Minniti die einzige Alternative zum Leben auf der Straße. Damit diese ungewöhnliche „Wohngemeinschaft“ in Zukunft über die Notversorgung hinaus zum Sprungbrett in ein selbstbestimmtes Leben werden kann, hat sich Projekt Seehilfe e.V. mit vielen UnterstützerInnen und FreundInnen an die Arbeit gemacht. In den letzten Monaten haben wir gemeinsam das digitale Klassenzimmer eingerichtet. Einer, der von Anfang an dabei war, ist Massimiliano Perna. Der Journalist ist in Siracusa geboren und kennt die Region mit all ihren Reizen und Problemen so gut wie die eigene Reportertasche. Von ihm stammt auch die Idee für das erste Projekt im neuen Klassenzimmer: Ein Webradio von, mit und für Geflüchtete.

Massimiliano, der in Siracusa geborene Journalist

Der in Siracusa geborene Journalist Massimiliano hilft Geflüchteten bei der Einrichtung eines Webradios

Ein kritisches Radio gegen den Hass

Erst vor Kurzem hat unser Freund und Informatiklehrer Luigi die letzten Buchsen verkabelt und das DSL-Modem eingesteckt. Heute trifft man in dem kleinen, aber feinen Raum immer jemanden an, der eifrig in die Tasten der neuen Laptops haut.

Massimiliano brütet derweil über besagtem Radioprojekt. Nach einer Startphase soll der Sender von den jungen Leuten betrieben werden. Alle hoffen, dass dieser Sender eine andere Sicht auf die Dinge vermitteln kann; eine, die Einblicke bietet in das, was in den Medien normalerweise nicht sicht- und hörbar ist: Fluchtschicksale, Alltagsberichte, für Italien ungewöhnliche Musik, andere Sprachen.

DIY-Radio hat Tradition in Italien

Grund zur Hoffnung besteht in jedem Fall, denn das DIY-Radio, das von denen gemacht wird, über die gesprochen wird, hat Tradition in Italien: Die Idee geht auf ein Phänomen der protestreichen 70er Jahre zurück. Lokale Sender in Italien waren häufig Orte der Kritik, der Meinungsfreiheit und des kulturellen Protests. So verbreiteten sich alternative Sichtweisen rasend schnell. Diese Tradition besteht bis heute und das neue Webradio gesellt sich zu bestehenden Sendern wie „Radio Ghetto“ aus Foggia. Letzteres wird von emigrierten Arbeiterinnen und Arbeiter geleitet, und sie erzählen über ihre Schwierigkeiten, über die Verweigerung ihrer Rechte, von der notwendigen Beschaffung unterbezahlter Schwarzarbeit. Oft geht es ihnen auch darum zu unterhalten und Musik nach dem eigenen Geschmack zu spielen. Davon haben dann sowohl die ModeratorInnen als auch die HörerInnen etwas! Es hilft auch, um auf Notstände und Schieflagen aufmerksam zu machen und Netzwerke zu schaffen. Betroffene, die die Sender hören erfahren: Ich bin nicht alleine, ich kann etwas tun, ich kann mich gegen Ungleichbandlung und Ausbeutung zusammenschließen und wehren. Wir sind darum zuversichtlich, dass das digitale Klassenzimmer bald auch ein professionell ausgestattetes Studio für zukünftige EuropäerInnen ist.

Massimiliano sagt dazu: „Das Radio ist eine offene Baustelle, in der Träume errichtet, Ideen gebastelt, Pläne umgesetzt werden. Danke, dass ihr das ermöglicht!“

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