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Der Bürgermeister und das Meer

“Die Menschen, die Abschiebung von geflüchteten Menschen fordern, haben nie in die Augen eines Menschen geschaut, der von Bord eines Flüchtlingsbootes geht”, sagt Luigi Ammatuna, Bürgermeister der Stadt Pozzallo und Mitglied der PSI (Sozialistische Partei Italiens). Der Mann mit den kurzen grauen Haaren, dem sonnengebräunten Gesicht und dem Schnauzer war in den letzten Monaten immer wieder in den Medien. In Europa kennt man ihn mittlerweile.

Das Rathaus von Pozzallo

Das Rathaus von Pozzallo

Dann erzählt er von den den Menschen, die in Pozzallo erstmals europäischen Boden betreten. Ein Fünftel aller in Italien ankommender Geflüchtete und somit 30.000 Menschen treffen jährlich in Pozzallo ein. Prekär sei die Situation vor Ort, sagt er dann und ruft  den anderen EU-Mitgliedsstaaten zu: “Helft diesen Menschen und schottet euch nicht ab!” Die Seenotrettungsmission “Mare Nostrum” wurde trotz seines Aufbegehrens eingestellt. Es ist, als hörten ihm nur die Medienvertreter zu. Während unserer letzten Sizilienfahrt im Oktober 2015 durften wir den Stadtvater mit randloser Brille in unserer kleinen Unterkunft willkommen heißen. Er war auf Einladung unserer Nachbarn Salvatore und Antonio gekommen.

Auch wir sprechen mit ihm natürlich über die Lage der Geflüchteten. Ammatuna sagt, dass er die Fluchtgründe verstehe und den Menschen helfen wolle. Seine Argumentation entspricht in vielen Punkten unserer. Jedoch ist Ammatuna der Stadtvater einer kleinen sizilianischen Stadt. Sein politisches Handeln gilt zunächst dem Wohl der Pozzallesis, dem Tourismus und dem Image der Stadt, um das er besonders fürchtet. Diese Angst wird nicht nur im Süden, sondern auf der ganzen Insel thematisiert: Dass der Tourismus den Umgang mit Geflüchteten beeinflussen kann und umgekehrt, sahen wir bereits in Catania. Kurz vor unserem Besuch im Juni hatte die Polizei Geflüchtete aus dem Hauptbahnhof vertrieben, um so das Bild für Tourist_innen zu “verschönern”. Trotzdem sieht sich Ammatuna in der Pflicht, den Geflüchteten zu helfen. Wir fragen ihn, welche Ideen er hat, welche Hilfe vor Ort notwendig sei? Was kann die Seehilfe für Pozzallo tun? Spontan fiel ihm keine passende Antwort ein. Wir baten ihn um ein weiteres Gespräch, und damit verbunden, um Antworten.

Warten auf Antworten

Unser zweites Treffen mit dem Bürgermeister sollte am folgenden Donnerstag im Rathaus stattfinden. Das Amtszimmer des Politikers ist mehr als beeindruckend, denn der Ausblick erstreckt sich direkt über das Mittelmeer. Im Gespräch verdeutlichte Ammatuna, dass er als Bürgermeister nichts für die Verbesserung der Situation der Geflüchteten machen könne. Er würde Probleme mit der Präfektur bekommen. Denn illegalisierten Menschen zu helfen, dass wäre ihm in seiner Position quasi verboten. Jedoch sagte er seine Hilfe als Privatperson – nach eindringlicher Nachfrage – beherzt zu. Er gab sein Wort.

In dem Dialog entwickelte sich die Idee eine Tagesanlaufstelle für obdachlose Geflüchtete in Pozzallo zu errichten. Salvatore und Antonio, unsere beiden Nachbarn, waren begeistert. Der Bürgermeister zeigte Interesse die Umsetzung als Privatperson zu unterstützen. Inwieweit dies ein zukünftiges Projekt, das mit unserer Unterstützung vor Ort umsetzbar ist, muss sich zeigen. Unsere nächste Fahrt ist in Planung. Wir sind gespannt auf neue Treffen mit den Pozzallesis, vielleicht ja auch hrem Bürgermeister.

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