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2. Sizilienfahrt 2016. Ein Abschlussbericht in 5 Fragen – Teil 1 & 2

Die Mitglieder von Hanseatic Help e.V. und von Projekt Seehilfe e.V. bei Padre Carlo d'Antonio.

Die Mitglieder von Hanseatic Help e.V. und von Projekt Seehilfe e.V. bei Padre Carlo d’Antonio.

Frage 1: Was passierte in Sizilien?

Es gibt viele Gründe, warum diese unsere fünfte Fahrt nach Sizilien eine besondere war: Wir können mittlerweile auf ein gut ausgebautes Netzwerk an UnterstützerInnen, Gleichgesinnten und FreundInnen zurückgreifen. Jede Fahrt ist auch ein Wiedersehen und Kennenlernen. Vor allem aber war es das bisher größte in Angriff genommene Projekt, dessen Erfolg wir auch der Kooperation mit Hanseatic Help e.V. zu verdanken haben: Gemeinsam bepackten wir einen riesigen LKW mit 14 Tonnen Hilfsgütern und sammelten viele Spenden, um vor Ort nach Bedarf direkte Unterstützung leisten zu können. Schließlich brachen Johanne, Phil und Hendrik in Begleitung von Dennis Leiffels (einem Reporter des ARD-Film-Kollektivs „Y-Kollektiv“) mit dem Flugzeug auf eigene Kosten auf. Unsere unvergleichlichen Trucker Anselm und Andrea von Hanseatic Help e.V. brachten derweil den Transporter auf die Straße. Direkt nach Ankunft waren wir auch schon mittendrin: Wir erfuhren, dass die MS Aquarius – das Rettungsschiff der Seenothilfe SOS Mediterranee e.V. – vor Kurzem mit Unterstützung von „Ärzte ohne Grenzen“ ca. 500 Flüchtende aus dem Mittelmeer retten konnte.

Zu Besuch bei Padre Carlo.

Zu Besuch bei Padre Carlo.

Aufgrund unserer Vernetzung in Deutschland konnten wir spontan Kontakt zum Präsidenten des SOS Mediterranee e.V Klaus Vogel herstellen, der uns Zugang zum Schiff verschaffte. Von der Schiffsbrücke aus beobachteten wir, wie die Aufnahme der Geflüchteten funktionierte und konnten später mit Klaus Vogel, der Crew und den Geflüchteten sprechen.

Am Abend bezogen wir Quartier in Pozzallo und trafen alte Bekannte wieder, die auch schon bei vorangegangen Fahrten dem Projekt Seehilfe e.V. als ÜbersetzerInnen oder durch Vernetzung mit Kontakten tatkräftig zur Seite gestanden haben. Ohne sie wäre die Arbeit nicht nur wenig fruchtbar, sondern vor allem auch unpersönlicher. Sich gegenseitig zu unterstützen macht so vieles möglich und hilft, immer weiter zu machen.

Frage 2: Warum sind so viele Geflüchtete in Sizilien obdachlos?

Der zweite Tag unserer Arbeit vor Ort begann mit dem Besuch bei Davilo, der von der Elfenbeinküste kommt. Davilo ist obdachlos und verdient Geld für das Nötigste, in dem er vor einem Supermarkt Einkäufe zum Auto trägt. Seit einem Jahr kennen wir uns und wir unterstützen ihn in seiner Situation soweit möglich. Unter anderem das so genannte Hotspot-System machen wir dafür verantwortlich, dass immer mehr Geflüchtete illegalisiert werden und dann in der Obdachlosigkeit landen. Denn drei Fragen trennen die, die gerade mit nichts als Leib und Leben aus dem Schlauchboot gezogen wurden, vom (Asyl-)Antrag auf ein anderes Leben: Woher kommst du? Warum bist du gegangen? Willst du arbeiten?

Ankunft am Hafen von Catania. Hier betreten viele Geflüchtete das erste Mal europäischen Boden.

Ankunft am Hafen von Catania. Hier betreten viele Geflüchtete das erste Mal europäischen Boden.

Konfrontiert mit Blitzlicht, Fingerabdruck und Rettungsdecke, finden sie sich in einer Situation wieder, die wohl nur überfordern kann. So zumindest erzählen es viele, denn der Zugang ist streng beschränkt: weder JournalistInnen noch NGOs wie wir dürfen in die Aufnahmezentren der Hotspots. In dieser Situation ist eine falsche Antwort schon gleichbedeutend mit der europäischen Tür, die vor der Nase geschlossen wird. Innerhalb von sieben Tagen sollen sie dann eigenständig ausreisen. Es ist zynisch – mit welchem Geld? Und warum? Man hat doch gerade sicheres Europa, oftmals nach langen, strapaziösen und gewaltdurchzogenen Fluchten erreicht. Das Ergebnis sind Menschen, die rechtlich nicht mehr existieren. Nur ein Fingerabdruck bleibt im italienischen Asylsystem von ihnen zurück. Sie haben daher keinen Zugang zu staatlichen Institutionen, schon gar keinen Anspruch auf Rechtsschutz oder medizinische Versorgung und werden damit „illegalisiert“, ohne es zu wissen. Viele leben in Camps unter freiem Himmel, schlagen sich als Tagelöhner durch oder sitzen wie Davilo vor den Supermärkten.

Teil 2/3 des Endberichts folgt nächstes Wochenende!

Text: Sophie Jerusel, Johanne  Bischoff, Carolin Zieringer

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