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Spendenzwischenbericht

Neben der Berichterstattung aus Sizilien haben wir natürlich nicht vergessen, dass wir einen Transporter voller Spenden und auch noch einiges Geld auf dem Konto haben. Hier folgt also unser Spendenzwischenbericht.

Am Dienstag haben wir einen Teil unserer Spenden im Lager der beiden Sozialarbeiter abgeladen, mit denen wir zusammen arbeiten. Sie betreuen Flüchtlinge in Camps und verteilen die Spenden so bedarfsgerecht. Außerdem stehen sie in Kontakt zu Familien und Einzelnen, die nicht mehr in einem Camp untergebracht sind.

Einige Spenden haben wir schon selbst verteilt. In die Villa Tedeschi, aus der wir vorgestern berichteten, haben wir Männer- und Frauenkleidung mitgenommen. Es wurde uns bewusst, wie wichtig es ist, jemanden zu haben, der sich mit dem Verteilen auskennt: Wie viele Dinge auf einmal kann man verteilen ohne einen Ansturm auszulösen? Wie ist zu gewährleisten, dass alle gleich bedacht werden? Wer hat in den letzten Wochen schon Schuhe bekommen und wer nicht? Wer hat möglicherweise Probleme, passende Spenden zu finden, weil seine oder ihre Körpermaße nicht denen der durchschnittlichen Spendenden entsprechen? So war die junge Eritreerin, mit der wir sprachen, total glücklich über kleine Frauenschuhe. In ihrer Größe waren bisher nur Gummischläppchen im Lager angekommen.

Gestern besuchten wir zwei Familien aus Ägypten und Nigeria und eine Gruppe von Flüchtlingen mit befristeter Aufenthaltserlaubnis. Den Familien – eine hat vor 10 Tagen ihr drittes Kind bekommen, die andere erwartet ihr erstes in drei Wochen – haben wir Babykleidung mitgebracht und außerdem von den Geldspenden eine Babyausstattung gekauft: Fläschchen, Windeln, Schnuller, Babyöl.

Vermeintliche Luxusartikel

Zwar werden grundlegende Hygieneartikel (Shampoo, Duschgel, Zahnpflegeprodukte) prinzipiell von den Organisationen, die sich um die Flüchtlinge kümmern, gestellt, alles, was darüber hinaus geht, jedoch nicht. Vermeintliche „Luxusartikel“ wie Cremes gehören nicht zu dieser Ausstattung. Auf persönliche Bedürfnisse wird in diesem System in keinster Weise eingegangen. So haben wir allen Frauen, die im Lager der ägyptischen Familie leben, Bodylotion mitgebracht, die für sie ein heißbegehrtes Gut ist.

Noch problematischer ist die Situation für ein nigerianisches Paar, das wir besuchten. Die Frau ist im 9. Monat schwanger. Die beiden haben bereits eine befristete Aufenthaltsgenehmigung, weshalb sie nicht mehr in einem Lager leben dürfen, sondern sich eine eigene Wohnung finanzieren müssen. Eine staatliche Unterstützung erhalten sie in Italien nicht. Da Arbeit schwer zu finden ist, leben sie vom Betteln und müssen so das Geld für ihre Miete erwirtschaften. Wichtige Dinge wie Windeln oder ein Kinderwagen werden für sie also unerschwinglich. Neben der Babyausstattung haben wir dieser Familie sowie einer Gruppe anderer Flüchtlinge, von denen wir eine Nigerianerin trafen, auch große Beutel mit Lebensmitteln mitgebracht. Über unter anderem Reis, Nudeln und Konserven haben sie sich sehr gefreut. Auch einen der von uns mitgebrachten Kinderwagen wird sie in den nächsten Tagen erhalten.

Für uns erweist sich das Verteilen von Spenden als emotionale Herausforderung. Wir haben das Gefühl, dass wir den Menschen, denen wir etwas geben, helfen und dass es bei ihnen vollkommen an der richtigen Stelle ist. Wir sehen allerdings auch die Fülle von Menschen, die wir nicht erreichen können. Außerdem wird uns immer klarer, dass es vielen Flüchtlingen in den Lagern nicht vorrangig an Dingen mangelt, die sie am Leben halten, sondern an beinahe allem weiteren: psychologischer Betreuung, grundlegender Bildung sowie überhaupt einer Ausbildung, Beratung in bürokratischen Fragen, Übersetzungen bei Ärzten und Behörden und einer Vorbereitung auf das Leben nach einem positiven bzw. negativen Asylbescheid. All dies sehen wir, können aber mit unseren Mitteln kaum etwas anrichten. Flüchtlingen, die auf der Straße oder vom Betteln leben, können wir mit Einkäufen unter die Arme greifen und ihnen vielleicht drei Wochen lang Beruhigung verschaffen, an ihrer grundsätzlichen Situation jedoch können wir nichts ändern.

Bei uns kristallisiert sich die Erkenntnis heraus, dass es unabhängige Organisationen bräuchte, die unabhängig von privaten Lagerbetreiber_innen Unterstützung für Flüchtlinge anbieten. Vor Ort finden wir allerdings nur Einzelne und wenn überhaupt kleinere Vereine, deren Arbeit wir nicht 100%ig einschätzen können. Eine Sprecherin von Borderline Europe hat uns eindringlich davor gewarnt, hier irgendjemandem Geld in die Hand zu geben. So kaufen wir, was von den Flüchtlingen selbst gebraucht wird, tun uns aber auch damit schwer, weil wir wissen, dass wir nur Einzelnen helfen können. Wir hoffen aber, dass wir nach einem Gespräch mit einer Korrespondentin von Borderline Europe in der Region und der Verantwortlichen der Stadt Pozzallo einen besseren Einblick in die Situation hier in Italien haben.

Anna

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