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Corona-Update V aus Sizilien

Italiens Gesetz zur Legalisierung von Feldarbeiter*innen
In der Corona-Krise wurde eins schnell klar: Italiens Wirtschaft ist abhängig davon, dass Feldarbeiter*innen für einen unverschämt niedrigen Lohn, teilweise nur 10€ am Tag, und ohne gültigen Arbeitsvertrag auf den Feldern arbeiten. Seit Jahrzenten handelt es sich dabei oft um als Geflüchtete nach Italien eingereiste Menschen, die ausgebeutet und an den Rand gedrängt werden.
 

Als in diesem Jahr die Ernte in Folge des Lockdowns in Italien in Gefahr geriet, wurde die dortige Regierung tätig und ein Dekret verabschiedet, um Migrant*innen zu „legalisieren“, die zurzeit ohne Papiere im Land leben. Ziel sei es laut italienischer Innenministerin auch, die Nachverfolgung von Coronavirusinfektionen in der Landwirtschaft überhaupt anstellen zu können. Denn ohne gültige Arbeitsverträge ist bei einem Ausbruch auch nicht klar, wer tatsächlich auf dem Feld arbeitete und dementsprechend untersucht werden muss.

Wer vom neuen Gesetz profitiert
Von diesem Gesetz profitieren jedoch bei Weitem nicht alle der geschätzten 600.000 illegalisiert in Italien lebenden Migrant*innen. Die neuen Regeln betreffen und schützen nur Menschen, die in bestimmten, „systemrelevanten“ Bereichen arbeiten, wie in der Landwirtschaft, dem Fischereiwesen und der Viehzucht, der Altenpflege und der Hauswirtschaft. Das sind etwa 200.000, ein Drittel also.
Dabei geht es also nicht darum, die Situation für illegalisierte Migrant*innen generell zu verbessern. Es handelt sich hierbei primär um eine kurzfristige Wirtschaftshilfe: Gerettet werden sollen das Obst und Gemüse, nicht die Menschen, so die Kritik vieler italienischer NGOs in einem offenen Brief.
Die Hauptforderung des offenen Briefs lautet, dass die jetzige Krise als Chance genutzt werden müsse, eine langfristige strukturelle Einbindung für illegalisierte Geflüchtete zu gewährleisten. Gesetzesänderungen dürften nicht nur Hilfe bieten, um die Ernte zu sichern. Es müsse um die Gesundheit und Lebenssituation der Menschen gehen. Eine Forderung, die wir schon seit Jahren stellen und auch jetzt mit unserer Unterschrift vertreten.
Die Umsetzung ist zweifelhaft
Hinzu kommt, dass die Möglichkeit für Geflüchtete an Papiere zu kommen mit immensen bürokratischen Hürden verbunden ist. Das Dekret sieht zwei Wege dafür vor: Entweder muss der*die Arbeitgeber*in die „Legalisierung“ eines Menschen beantragen, den sie*er einstellen möchte und dafür 400 Euro plus eine Pauschale zahlen. Oder die Migrant*innen selbst können eine Aufenthaltserlaubnis für sechs Monate beantragen, um in dieser Zeit eine Stelle zu finden (Kostenpunkt: 160 Euro). Wir bezweifeln, dass Arbeitgeber*innen diesen Weg gehen werden, weil unserer Beobachtung nach Anreize fehlen, einen Menschen legal zu beschäftigen, der bisher unter der Hand gearbeitet hat – und damit weder rechtliche Ansprüche geltend machen durfte noch Soziallabgaben für den Arbeitgebenden verursacht hat. Das Dekret ist ein erster Schritt, doch noch immer stehen hierbei nicht die Menschen selbst im Mittelpunkt.
Dabei hat die Krise gezeigt, wie abhängig Italien und Europa im Allgemeinen von Migration sind. Mit der Unterstützung des offenen Briefes fordern wir ein langfristiges Umdenken in der Politik.

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